Führung - 120 Jahre Bahnhof und Sedanplatz-Zeitreise

Führung: 120 Jahre Bahnhof und Sedanplatz-Zeitreise

Lage.

Eine kaum für möglich gehaltene Zahl von 70 Gäs­ten nahm am Sonntag, 9. Oktober 2022, teil an der stadtgeschichtlichen Führung, die das Bahnhofsgebäude und den Sedanplatz in den Mittelpunkt stellte. Die Eisenbahnfreunde Lippe und der Heimatbund Lage hatten gemeinsam zu diesem lokalhistorischen Spaziergang eingeladen, der etwa eine Stunde dauerte und der den dankbaren Zuhörern viel Wissenswertes sehr kurzweilig vermittelte.

Am Ende konnten die Gäste kaum glauben, dass die 60 Minuten so schnell vergangen waren. Deshalb standen auch nach dem offiziellen Ende der Führung noch etliche Grüppchen zusammen und unterhielten sich angeregt. Manche fühlten sich gar an die Sedanplatz-Feste früherer Tage erinnert … Die Gäst­e erkundigten sich bei den bestens vorbereiteten Stadtführern nach weiteren Details und ließen im Gespräch ihre Zeitreise in die Lagenser Eisenbahn- und Stadtgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts nochmals Revue passieren.

Anlass der Führung war die Einweihung des heutigen Bahnhofsgebäudes vor nahezu auf den Tag genau 120 Jahren: Lages Tor zur Welt wurde in seiner jetzigen Gestalt am 4. Oktober 1902 seiner Bestimmung übergeben und ersetzte damals den 1880 erbauten „alten Bahnhof“. Mehrfach wurde der „neue Bahnhof“ erweitert und umgebaut (im 20. Jahrhundert zuletzt 1936) … um in den 1970er bis 1990er Jahren stark vernachlässigt zu werden. Und das, obwohl es sich um ein Baudenkmal mit stadtbildprägender und historisch bedeutsamer Funktion handelt. Insbesondere im Gebäudeinneren wurde nahezu jeder Gründerzeitcharme „totmodernisiert“.

Im Jahr 2005 erwarb der Lagenser Investor Paul Hüls den Bahnhof von der Deutschen Bahn, um ihn zu modernisieren und gleichzeitig zu restaurieren. Der Detmolder Architekt Dipl. Ing. Erhard Soyk wurde von Hüls mit der Genehmigungsplanung und dem Stellen von Förderanträgen beauftragt. Die Entwurfs- und Detailplanung sowie die Ausschreibungen und die anschließende Bauleitung erfolgte durch den Lagenser Architekten Dipl. Ing. Paul-August Stüker und dessen Büro „pb architektur“. Der Umbau begann am 6. Februar 2006. Die Fertigstellung wurde Ende Juli 2006 gefeiert.

Eine Einheit

Vor dem Hintergrund von 120 Jahren Bahnhofsgeschichte waren die Eisenbahnfreunde Lippe und der Heimatbund Lage übereingekommen, den 120. Jahrestag der ersten Bahnhofseinweihung mit einer besonderen Stadtführung zu würdigen. „Das Bahnhofsgebäude und der Sedanplatz gehören – historisch betrachtet – zusammen. Da bietet es sich an, dass die Eisenbahnfreunde und der Heimatbund gemeinsam daran erinnern“, so Heimatbund-Vorsitzende Margarete Wißmann und Dirk Schneider, Vorsitzender der Eisenbahnfreunde, bei der Begrüßung der Gäste.

Während die beiden Stadtführer der Eisenbahnfreunde Lippe, Klaus Schuler und Konrad Soppa, aus der 120jährigen Geschichte des Bahnhofsgebäudes berichteten, ging Margarete Wißmann ein auf den Sedanplatz, dessen Historie, Struktur und Pflanzenwelt sowie auf die ihn umgebende Bebauung.

Den ersten Teil der gemeinsamen Führung übernahmen die Stadtführer der Eisenbahnfreunde Lippe. Nach Konrad Soppas einleitenden Worten übernahm Klaus Schuler. Er rief die Baugeschichte des Gebäudes in Erinnerung und ging auch auf den Vorgängerbau ein, der bald nach seiner Errichtung im Jahr 1880 nicht mehr den Anforderungen genügte und am 1. Oktober 1902 durch das heutige Gebäude ersetzt wurde.

Neubau wurde nötig

Ein Neubau wurde auch deshalb nötig, weil Lemgo 1896 einen Bahnanschluss nach Lage erhielt. Die Zahl der Fahrgäste stieg. Ab 1. November 1896 konnte man mit der Bahn von Lage bis Barntrup fahren, ein Jahr später bis nach Hameln.

Am 1. Oktober 1903 wurde der erste Zug von Lage nach Oerlinghausen feierlich verabschiedet. Bis zur Eröffnung der Gesamtstrecke nach Bielefeld musste man ein weiteres Jahr warten. Dieser Streckenabschnitt wurde am 1. Oktober 1904 eröffnet. Nun fuhren auch Züge von Bielefeld nach Hameln durch und die Passagiere, die in Lage auf ihren Anschluss warteten oder hier umstiegen, freuten sich über das moderne Empfangsgebäude mit Warteräumen für die 1., die 2., die 3. und die 4. Klasse.

Detailreich wies Stadtführer Klaus Schuler am Sonntag auch auf die Bauarbeiten am Gebäude hin: „Im Boden des alten Personentunnels, der ja noch da ist, aber mit Beton verfüllt ist, befinden sich ausrangierte Schienenprofile, die schon 1902 uralt waren“ so Schuler. „Man musste den Tunnelboden verstärken, weil das Grundwasser sonst den Boden hochgedrückt hätte!“ wusste Schuler zu berichten.

Durchaus ein Segen

Da es damals üblich gewesen sei, informierte Schuler, Bauleis­tungen so weit als möglich durch ortsansässige Betriebe ausführen zu lassen und auch das erforderliche Material vor Ort zu beschaffen, sei der Bahnhofsneubau auch unter diesem Gesichtspunkt durchaus ein Segen gewesen für die örtliche Bauwirtschaft. Der Bau verschlang die für damalige Verhältnisse enorme Summe von 450.000 Reichsmark. Ein wesentlicher Teil davon sei in Lage oder doch zumindest im Lipperland verblieben. Das Lagenser Baugewerbe sei sehr froh gewesen über diese Entwicklung, da die Neubaumaßnahme zumindest für das Jahr 1902 volle Auftragsbücher beschert habe.

Zum zweiten Teil der Führung begaben sich die Besucher zum Sedanplatz. Dieser liegt dem Bahnhof gegenüber und war für ankommende Bahnreisende als Visitenkarte der Stadt gedacht. So hatten es sich ausgangs des 19. Jahrhunderts die Stadt und auch die Königlich Preußische Eisenbahn gewünscht.

Köttelwiese – Visitenkarte

Da der Platz aber zuvor jahrelang als Brachland bzw. als Ziegenweide gedient hatte, hatte Margarete Wißmann ihrer Führung das vielsagende Motto gegeben: „Von der Köttelwiese zur Visitenkarte der Stadt“.

Die Heimatbund-Vorsitzende berichtete zunächst über die Anlage des Platzes und die verschiedenen Stadien seines Aussehens und seiner Ausstattung. Auf einem Plan aus dem Jahr 1934 seien geschwungene Wege zu sehen mit einem fast zentral gelegenen Rondell. „Hier gab es lange Zeit einen mächtigen Kandelaber, der diesen Teil des Platzes prägte“ so Margarete Wißmann.

Weiterhin sei der Platz geformt worden von Rasenflächen, die mit Bandeisengittern eingefasst waren. Junge Bäume seien gepflanzt worden, die im Laufe der Zeit zu platzprägenden Bäumen herangewachsen seien: Eichen, Ulmen und eine Baumhasel bzw. Türkische Hasel, die mittlerweile eine überwältigende Größe und mit ihrem Alter von mehr als 100 Jahren eine außergewöhnliche Bedeutsamkeit als „Zeitzeuge“ erreicht habe.

Jahrelang habe es auf dem Sedanplatz in Sichtweite des Bahnhofsgebäudes einen Brunnen mit Springquell gegeben. Der Brunnen sei zu Beginn der 1990er Jahre abgeriegelt und demontiert worden. Die Leitungen für das Frisch- und das Abwasser seien an Ort und Stelle noch vorhanden.

Der verlorene Findling

Eine „Bereicherung der besonderen Art“ habe der Sedanplatz im Juni 1914 erhalten. Ein in der städtischen Tonkuhle „Zum Fichtenbusch“ gehobener Findling erheblichen Ausmaßes erhielt seinen endgültigen Platz im Park vor der Bürgerschule (heute: Grundschule Lage) und wurde dort als Naturdenkmal ausgewiesen. Frau Wißmann: „Obwohl der Stein in seiner Mächtigkeit noch an derselben Stelle liegt, ist seine beeindruckende Wirkung stark eingeschränkt, da eine Gehölzgruppe ihn bereits seit Jahren verdeckt.“ Seit dem 17. Dezember 2001 gilt der Findling amtlicherseits nicht mehr als Naturdenkmal.

Im Weiteren ging die Vorsitzende auf die bauliche Entwicklung am Sedanplatz und einiger davon abgehender Straßen ein. Margarete Wißmann erinnerte beispielsweise an die Bürgerschule, das Hotel Reichskrone oder das Wohn- und Geschäftshaus Büngener. Der Bau dieser repräsentativen Immobilien sei ein deutliches Zeichen für die wachsende Bedeutung des Sedanplatzes, und zwar zeitparallel zur Zunahme des Eisenbahnverkehrs.

In diesem Zusammenhang tauchte auch immer wieder der Name des Lagenser Architekten Gustav Meßmann (1879 – 1944) auf, der gerade hier, im bahnhofsnahen Bereich, viele unterschiedliche Gebäude geplant habe. Gustav Meßmann war von 1903 bis 1923 ehrenamtlicher Stadtbaumeister in Lage. „Meßmann hat hier am Bahnhof und auch in der Innenstadt unglaublich viele Spuren hinterlassen,“ so Wißmann weiter. An der Aufarbeitung der Meßmannschen Gebäude in Lage werde gegenwärtig gearbeitet. Die Geschichte seines späteren Nachfolgers, des Stadtbaumeisters Heinrich Graf, werde auch noch folgen.

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